Assessment Center im Fokus der Forschung
EMRICH Consulting betreibt eigene Forschung rund um das Thema „Assessment Center“. Die Ergebnisse finden sich in zahlreichen von uns veröffentlichten Büchern oder Beiträgen in Fachzeitschriften.
International wurde in den letzten 10 Jahren viel zum Thema Assessment Center (AC) geforscht. Immer wieder stand dabei die Frage der „Validität“ dieses Verfahrens im Vordergrund. Mit „Validität“ ist die „Gültigkeit“ der Ergebnisse eines ACs gemeint.
Konstruktvalidität
Eine besonders spannende Frage ist, ob es denn prinzipiell möglich ist, mit einem Assessment Center überhaupt die Konstrukte zu erfassen, die man möchte. Eine einzelne Dimension, beispielsweise das Konstrukt „Führungskompetenz“, wird in einem Assessment Center ja mehrmals beobachtet. Am Ende des Verfahrens steht ein Gesamtergebnis, welches ausdrücken soll, wie kompetent der Kandidat auf der Dimension „Führungskompetenz“ ist.
Allerdings sind die Übungen eines typischen Assessment Centers meist so unterschiedlich, dass jede Übung, welche „Führungskompetenz“ ermitteln soll, einen völlig anderen Aspekt dieses Konstruktes erfasst. So manifestiert sich möglicherweise in einem dyadischen Rollenspiel mit einem Mitarbeiter Führungskompetenz in aktivem Zuhören und empathischem Reagieren. In einer kompetitiven Gruppenübung hingegen mag sich Führungskompetenz eher dadurch ausdrücken, dass ein Bewerber sich nicht zu sehr beirren lässt, sondern seinen eigenen Standpunkt entschieden durchsetzt (Emrich, 2004).
Wenn dem so ist, ist es dann überhaupt sinnvoll, von einem einheitlichen Konstrukt „Führungskompetenz“ zu sprechen? Und darf hier überhaupt am Ende über alle Übungen hinweg ein aggregierter Score gegeben werden, welcher sich aus dem arithmetischen Mittel der quantitativen Beobachtungen in völlig unterschiedlichen Beobachtungssituationen zusammensetzt?
Authentizität und Schauspielerei im Assessment Center
Ein häufig gehörter Einwand von Gegnern des Verfahrens „Assessment Center“ besteht darin, dass bei diesem Vorgehen besonders die Kandidaten gut abschneiden würden, die den Beobachtern etwas „vorspielen“ würden. Eine authentische Person hingegen, die sagt „ich bin wie ich bin“, habe deutlich schlechtere Karten.
In der Tat gibt es in der empririschen Forschung durchaus ernstzunehmende Hinweise dafür, daß Kandidaten, die einer gewissen „Schauspielerei“ zumindest nicht gänzlich abgeneigt sind, in der Regel besser abschneiden, als Personen, denen es wichtig ist, sich besonders authentisch zu verhalten (Emrich & Diehl, 2007).
Das stellt allerdings nicht das Assessment Center an sich in Frage. Diese „Schauspielerei“ ist ja nicht unbedingt etwas Negatives. Im Gegenteil suchen zahlreiche Unternehmen ganz gezielt nach neuen Mitarbeitern, welche in der Lage sind, das eigene Verhalten sehr stark zu variieren und permanent den Gegebenheiten der jeweiligen Situation anzupassen. Insofern wäre „Schauspielerei“, wenn man es mit „Verhaltensflexibilität“ übersetzt, nicht nur im Rahmen des Assessment Centers hilfreich, um hier gut abzuschneiden, sondern auch in der sich anschließenden beruflichen Laufbahn ein echter „Karriere-Turbo“.
Aus unserer Sicht empfiehlt es sich, die Tendenz zur „Schauspielerei“ bei allen Kandidaten des ACs jeweils separat zu ermitteln, um bei der Interpretation der Ergebnisse abschätzen zu können, inwieweit diese von „Schauspielkünsten“ der Bewerber beeinflusst sind.
Empfehlungen aus der aktuellen Assessment Center Forschung an Anwender
Der aktuelle Stand der Wissenschaft erlaubt einige konkrete und umsetzbare Vorschläge für Assessment Center-Konstrukteure und Assessment Center-Anwender:
Klärung der Anforderungsdimensionen
- Starten Sie damit, ein klares Anforderungsprofil zu ermitteln!
Konstruktion der Übungen
- Entwickeln und verwenden Sie nur Übungen, die den Arbeitsalltag realistisch simulieren!
Kombination mit weiteren diagnostischen Messungen
- Erfassen Sie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z.B. die Tendenz zur „Schauspielerei“) außer mit dem AC auch noch mit Persönlichkeitstests! So können Sie am Ende die Ergebnisse des Assessment Centers realistischer interpretieren!
Klares Feedback nach dem Assessment Center
- Egal, welche Ergebnisse das Assessment Center geliefert hat, geben Sie jedem Teilnehmer unbedingt ein umfassendes Feedback!
Empfehlungen aus der aktuellen Assessment Center Forschung an Kandidaten
Auch für Personen, die ein AC zu absolvieren haben, hält die Forschung einige Tipps parat:
Vorbereitung durch ein Assessment Center Training
- Ja, die Performance in einem AC kann durch ein spezifisches Assessment Center Training signifikant gesteigert werden!
Innere Einstellung im AC
- Ihre eigene Einstellung im Rahmen eines AC sollte sein: „Ich bin o.k. – Du bist o.k.!“ Versuchen Sie, auch in kompetitiven Gruppenübungen Win/Win – Lösungen herzustellen!
Situationsgerechtes Handeln
- Passen Sie Ihr Handeln den Anforderungen der jeweiligen Situation an! Versuchen Sie permanent heauszubekommen, was die Beobachter des Verfahrens von Ihnen sehen wollen und zeigen Sie genau das!
Rückmeldung einfordern
- Sie haben das Recht auf ein Feedback! Dieses ist besonders dann interessant, wenn Sie das AC nicht bestanden haben! In der Praxis drücken sich viele AC-Durchführer vor der Rückmeldung. Fordern Sie ein zeitnahes und offenes Feedback proaktiv ein!
Literaturhinweise
Emrich, M. (2004). Schauspielerei oder Authentizität? Der Einfluss des Self-Monitoring auf das Verhalten der Teilnehmer im Assessment Center. Lengerich: Papst-Science Publishers.
Emrich, M., Diehl, M. (2007). Flexibel versus charakterstark: Die Effekte situativen und dispositionellen Self-Monitorings im Assessment Center. Zeitschift für Personalpsychologie, 6 (1), 2-11. Göttingen: Hogrefe Verlag.